Nach zwei entspannten Nächten in Almaty sind wir Richtung Norden zur russischen Grenze aufgebrochen. Um dort anzukommen, mussten wir einige Hindernisse aus dem Weg räumen.
Großstadtknotzen
Gemeinsam mit unseren norditalienischen Rallykollegen Andrea und Tobia aus Pordenone vom Team Public Nightmare sind wir Sonntagmorgen nach einer nicht so richtig erholsamen Nacht auf einem Tankstellenparkplatz vor Bishkek über die kasachische Grenze gefahren. Wenig später waren wir dann auch schon in Almaty, der einstigen Hauptstadt Kasachstans. Eigentlich ist sie es ja noch immer, die astanische Städtebaugenerik kann mit dem almatyschen Großstadtgefühl wahrscheinlich nur schwer mithalten. Durch den vollkommen verrückten Verkehr dieser riesengroßen Stadt, haben wir uns gemeinsam bis zum Freerider Hostel (Hostel, Werkstatt, Pub und Motorradshop in Einem) durchgezwängt, wo wir nach Bier, Shisha und Plauderei mit anderen Rallyteams ziemlich erschöpft ins Bett gefallen sind.
Nachdem wir am Montag gleich am frühen Morgen Andrea und Tobia verabschiedet haben (sie sind schon mal Richtung russische Grenze vorgefahren), haben wir uns Zeit genommen und ein paar wichtige Kleinigkeiten an Cookie geflickt, unserem mittlerweile recht großen Stau an digitalem Material der letzten Woche abgearbeitet und Wäsche gewaschen. Cookies rechter hinterer Radkasten brauchte noch etwas Nachbearbeitung mit dem Hammer, Zange, Bohrer und Kabelbinder. Wir wissen zwar nicht genau warum, aber der Reifen schleift seit neuesten am Kasten und bei ruppigen Straßenverhältnissen verreiben wir ihn langsam. Außerdem musste der Luftfilter vom Pamirstaub und -dreck befreit werden und die durch das waschbrettpistenrütteln nicht mehr funktionstüchtige Servo verlange eine Instandsetzung. Unsere vier flinken Pseudomechanikerhände haben alles gleich mal bewältigt gehabt und bereits am frühen Nachmittag konnten wir unser Auto wieder geschmeidig auf den Parkplatz zurückstellen.
Eigentlich wollten wir nach vollbrachtem Tageswerk ja Almaty erkunden, aber schon nach 400 m hat uns das gemütliche Ambiente einer Shisha Lounge magisch angezogen und ein Weiterkommen verunmöglicht. Wie Gelsen ins Licht fliegen, sind wir im Shisharauch verschwunden. Das Ergebnis war, dass wir zwar Almaty an diesem Nachmittag unbesichtigt lassen mussten, wir dafür aber bei grünem und schwarzem Tee, Kaffee, Shisha und einer grandiosen Vorspeisenplatte das Entspannungsmaximum der Rally erreicht haben. Nach sage und schreibe sechs Stunden chillen, lachen und plaudern sind wir dann wieder zurück ins Hostel gewandert.
Almaty blieb für uns uns bis auf ein paar Läden, Lokale unser Hostel und viele Banken, Wechselstuben und Tankstellen also verborgen. Unser Erschöpfungsgrad war mittlerweile so hoch, dass wir die größte uns wohl eine der interessantesten zentralasiatischen Städte Unterkünfte für einen gemütlichen Nachmittag zurückließen. Nach den Etappen der letzten Wochen hat das aber irrsinnig gut getan.
Pamirnachwehen
Dafür sind wir Dienstag Mittag halbwegs erholt und guter Dinge einen Tag hinter unseren italienischen Kollegen selbst nach Norden entlang der A3 aufgebrochen. Bis ungefähr Kilometer 360 nach Almaty sind wir zügig vorangekommen bis wir bei einem kleinen Halt im Sonnenuntergang am Straßenrand bemerkt haben, dass unser Benzintank tropft.
Sapalott!!
Es hat nach bereits fünf Rallywochen keine zehn Sekunden mehr gebraucht um in den Krisennodus zu schalten: wir sind ins Auto gehüpft und haben im nächsten Ort nach einem Mechaniker gefragt. Dort sind wir 17 km in den nächsten Ort weitergeschickt worden. Von dort hat uns eine interessiert aufgescheuchte Männerhorde nach dem beseitigen der Kommunikationshürden nochmal 36 km weitere in den nächsten Ort verwiesen. Dort angekommen haben wir um bereits halb zehn abends binnen von 10 Minuten nahezu den halben Ort um unser tropfendes Auto versammelt gehabt. Darunter war die Polizei, Schaulustige, ein perfekt Deutsch sprechender Kasache mit seiner Familie (sehr hilfreich) und das netteste Ehepaar aus der Altai Region in Russland überhaupt. Gemeinsam mit Ihnen haben wir zuerst Cookie halb zerlegt und sind dann hinter ihrem Lada nach durch die stockfinstere kasachische Prärie bis zur nächsten Reparaturplattform gefahren. Solche Plattformen stehen in Zentralasien alle paar Kilometer am Straßenrand. Der Bedarf an Schnellreparaturen ist bei den schleißigen Autos hier ja gegeben. Und diesmal haben wir's auch in Anspruch nehmen müssen um die Fehlerquelle am Tank auszumachen. Zu dritt sind wir also bis halb zwölf nachts unter Cookie bei Spinnen und Schlamm (wo in dieser staubtrockenen Gegend plötzlich Schlamm herkommt - und dann noch genau hier - muss uns mal wer erklären!!!) schraubend und keuchen herumgekrabbelt, bis wir nicht nur vollkommen verölt und verdreckt waren, sondern auch das Problem ausgemacht haben: eine wahrscheinlich durch das Pamirrütteln leicht aufgerissene Schweißnaht an der vorderen Tankaufhängung und zwei (von fünf) gerissenen Aufhängungen. Wir könnten davon ausgehen, dass der durch die gerissenen Aufhängungen so verzogen wurden, dass die Schweißnähte leicht gerissen sind.
Sapalott aber auch!
Da damit ein weiterfahren vollkommen ausgeschlossen war sind wir, nachdem wir uns herzlich von den neu gewonnenen russischen Freunden mit Mannerschnitten verabschiedet haben (wir haben sie mit drei Packerl nahezu überschüttet!), wieder zurück in den Ort Sarkand gefahren.
Dort haben wir gleich hinter der Ortseinfahrt ein - haltet euch fest - Autowerkstatt/Ersatzteilladen/Hotel gefunden, Cookie vor den Werkstatttoren geparkt, noch eine herzhafte Pasta am Gaskocher gemacht und uns ins Bett geworfen.
The Slow Pfuscher Show
Um acht Uhr morgens sind wir dann schon vor der Werkstatt auf der Matte gestanden und haben die Mechanikerbelegschaft quasi hineingeleitet. Das Chaos in der Werkstatt hat uns dann schon angekündigt, dass hier alles etwas gemütlich und chaotisch zugeht... und so wars dann auch. Der Ausbau inkl. Vorbereitung zum Schweißen des Tanks hat nahezu vier Stunden gedauert, das Schweißen dann zwei Stunden und das einbauen dann nochmal zwei Stunden. Nebenbei bemerkt, musste die Werkstattbelegschaft erst einmal einen alten Mazda 323 zusammenflicken, um unseren ausgebauten Tank zum ortsansässigen Schweißer und zurück zu verfrachten. Bei alldem haben wir nicht nur geahnt, sondern bereits klar gesehen, dass die Mechanikerkollegen eigentlich Pfuscher sind.
Während wir während der Reparatur nach und nach jede Schraube, jedes Schleifpapier und jede Mutter einzeln (!!) im Ersatzteillager um die Ecke erwerben mussten, wurden von den emsigen Mechanikern außerdem alle Arbeitsunfallbestimmungen, die wir aus Europa gewohnt sind, tunlichst verletzt: rauchen beim Tankausbau, aufschneiden des halb vollen Tanks mit einem sich selbst gerade vernichtenden Trennjägers, etc. Einfach herrlich das ganze Schauspiel, das uns ins Sarkand geboten wurde. Wir haben es auf jeden Fall "genossen", vor allem, weil uns ein tropfender Tank in der Pampa (und Sarkand ist wirklich in der Pampa) nach fast sechs Rallywochen nicht einmal mehr leicht aus der Ruhe bringt.
So sind wir dann also am Nachmittag endlich weitergekommen... aber nicht weit. Bei wieder einem Sonnenuntergangsstopp ist uns dann wieder Benzingeruch in die Nase gestiegen und in no Time haben wir uns hinten links Zugang zum Tank verschafft gehabt und den erneuten Schaden, der aus dem Pfusch der Sarkandwerkstatt entstanden ist, festgestellt: gerissen Aufhängungen, kaputte Improvisationsaufhängung, neuer Tankriss. Dazu kam, dass der Tank mittlerweile nur mehr zehn Zentimeter über der Fahrbahn hängte und immer wieder fest mitfederte. Unser ungutes Gefühl bei der Sarkand-Werkstätte hat sich also traurigerweise bewahrheitet.
Ohne Erfolg haben wir versucht den Tank mit Draht durch vertrödeln hochzuziehen, da er aber zu schwer war, ist uns jeder Draht gerissen und nachdem wir auch noch von einem aggressiven Gelsenschwarm attackiert wurden, mussten wir den Instandsetzungsversuch abbrechen und uns ins Auto retten.
Saaaapalott!
Die Lagefeststellung im Auto war dann sehr ernüchternd: mittlerweile war es dunkel, der Tank hing nur mehr an drei Schrauben und federte dramatisch, die Straße war so schlecht, dass wir nicht schneller als 30 km/h fahren könnten und der nächste Ort mit Werkstätte und Infrastruktur - Ayagoz - war 160 km entfernt. Damit noch nicht genug... um den Tank überhaupt fahrtüchtig zu bekommen, mussten wir uns erst mal aus der Mitte des Sumpfgebietes retten, um nicht weiterhin von Gelsen attackiert zu werden.
Genau das haben wir dann auch gemacht. Wir sind ungefähr 50 km weiter Richtung Ayagoz gefahren und haben dann fernab von Sumpf und Gelsenüberpopulation einen Stopp eingelegt. Mit einem Zurrgurt vom Dach könnten wir dann den Tank so anknallen, dass er sich keinen Millimeter mehr bewegte und wir unsere Fahrt zumindest mit 60 km/h fortsetzen könnten.
In Ayagoz sind wir dann um halb zwei morgens angekommen und nach Polizeikontrolle und Werstättensuche haben wir uns dann auf einem Parkplatz im Auto zum Schlafen gelegt.
Um sieben Uhr morgens sind wir dann auf und haben uns vor die Werkstatttore geparkt. Der erste Mechaniker ist um acht aufgetaucht und hat uns gleich hochgehoben gehabt. Wenig später (08:17 - nur um das in Relation zu den vier Stunden in Sarkand zu setzen) war denn der Tank von drei Mechanikeropas herausgenommen und die Instandsetzung in vollem Gang.
Danke Ayagoz!
Mit diesmal gutem Gefühl könnten wir Cookie voll den Mechanikeropas überlassen und uns dem Schaulustigenauflauf widmen. Dieser war mittlerweile beträchtlich und wir haben kommuniziert was unsere Hände und Füße hergegeben haben. Einer davon hat uns hat uns dann mit 100 km/h in seinem Lada durch die Stadt gefahren, um Ersatzteile und Material einkaufen zu können. Danke Racedriver!
Kaum zurück, sind wir zu Fuß mit einem neu gewonnenen Freund - Bakrit - zu einem Laden aufgebrochen. Aus dem Spaziergang wurde dann ein gemütlicher Stadtrundgang in der Sonne, bei dem uns Bakrit begeistert seine Stadt zeigte. Im zweiten Weltkrieg war die Hauptstraße offenbar eine Start- und Landepiste für Flugzeuge.
Zurück in der Werkstatt war Cookie dann schon fertig und wir würden vom Chef in sein Haus zum Mittagessen eingeladen. Unsere erste Mahlzeit seit eineinhalb Tagen wurde dann im Hintergrund von einer russischen Österreich-Dokumentation am Fernseher über YouTube untermalt. Wir zwei sin also dort im Wohnzimmer bei Einer Plov-artigen Suppe und Keksen gesessen und im Hintergrund lief Mozart und Strauss.
Kaum haben wir uns verabschiedet und wollten losdürfen, hat uns Bakrit abgefangen, um uns mit zu ihm nachhause zu nehmen und uns seine Familie vorstellen zu können. Dieses Angebot konnten wir natürlich nicht abschlagen und ein paar Minuten später haben wir uns mit Geschenken überhäuft und von fünf Kindern umzingelt in einem kleinen alten Haus mit blauen Fenstern wieder gefunden. Nach einem herzlichen Geschenksaustausch und der obligatorischen Autobeschriftung ging's dann endlich mit einem saugten Gefühl weiter nach Norden zur russischen Grenze, bei der wir spätabends ohne Probleme angekommen sind.
Auch wenn wir die Gastfreundschaft in Ayagoz vermissen werden und Kasachstan mit Almaty, dem Aralsees und Astana definitiv nochmal eine Reise wert ist, wird uns die fade, ausladende, ebene und vergilbte Steppe, die sich über hunderte Kilometer erstreckt, nicht abgehen. Das Land zu durchkreuzen war wirklich maximal öd und wir sind uns danach sicher, dass die schlechten Straßenzustände eine verkehrspsychologische Maßnahme zum Munterhalten der AutofahrerInnen sind. Wir sind uns außerdem relativ sicher Kasachstan nur deshalb so unglaublich riesig ist, weil es bei dieser geringen Dichte an fürs Auge festmachbarem, einfach nicht anders kann als zumindest viel von nix zu haben, zumindest wenn man das Land im Osten durchkreuzt.
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Simon (Mittwoch, 30 August 2017 00:21)
freewheelin' am morgen
vertreibt kummer und sorgen
olles guate enk zwoa und i bin schun gsponnt auf die berichte aus russland und der mongolei
Renate & Mike (Mittwoch, 30 August 2017 03:38)
In die Mongolei hinein wär es ja stilgerecht hoch zu Ross, würde den putzigen Suzukiwinzling schonen. Übrigens: servus Luggi und unbekannterweise Flo-wollte mich ja schon längst mal melden, aaaber naja. Wünsche Euch Weltenbummlern weiterhin gutes Weiterkommen und sicheres Ankommen. Gehe nun zum Live.Track und übertrage die Navipunkte in Google Earth und bin Euch somit auf der Spur, die ja inzwischen schon sehr lang ist. Und Xsund bleim und nix rauchen.
Stephan PAPA (Mittwoch, 30 August 2017 16:17)
Wie immer sehr humorvoll geschrieben bei alle dem