Planet Ashgabat im Universum Turkmenistan

Wir haben es endlich geschafft! Wir sind in Turkmenistan und damit in Zentralasien angekommen. Einfach war es ja nicht gerade, wir würden es eher eine zermürbende Odyssee der Bürokratie und Ineffizienz nennen.

 

Entnervt aber irgendwie morbid erheitert waren wir nach 101 Stunden mit den turkmenischen Zollbeamten fertig und sie mit uns sicher auch. Immerhin waren die 22 Rallyteams an der Grenze auch eine Herausforderung für die Grenzbürokratie, die dort sicher nicht alltäglich ist. Alleine die Formen und Farben der Autos müssen richtigen TurkmenInnen schon die Augen eindrücken, sind doch zum Beispiel in der Hauptstadt Ashgabat nur Einheitsfarben für Autos erlaubt. Damit sind 90% der Fahrzeuge im Land entweder weiß, grau, smaragdgrün und gold-beige. Der Grund dafür ist, dass der 2006 verstorbene Diktator Niyazov das einheitliche Bild der Stadt wahren wollte und kurzerhand Gesetze dafür erlassen lies, wie eben dieses Autofarbengesetz. Ähnlich ist auch das Gesetz, dass Hunde in Ashgabat verbietet, weil sie "schlecht riechen".

 

Trotz der Ausgangssperre im Land ab 23h abends, haben wir uns dann an diesem bereits angerissenen Tag um fünf Uhr in der Früh mutig Richtung Hauptstadt aufgemacht. Nachdem wir eine ganze Menge an Rallyteams waren, hatten wir zwei große Vorteile auf unserer Seite: Einerseits kam uns zugute, dass wir so viele waren. Das hat sich bei der einzigen Polizeikontrolle gleich hinter Turkmenbashi bewährt: Man stelle sich vor: stockfinsteren Nacht, schummrig beleuchtetes Wachhäuserl im Nirgendwo, kleiner dicker Beamter mit einer viel zu großen Tellerkappe und davor 22 kleine Fahrzeuge aus Europa. Nachdem besagter Beamter fünf Namen aufgenommen hat, wurde es im zu viel und er hat die Aufnahme der Daten mit der Begründung, es seien ihm zu viele Personen, gleich ganz sein lassen. Faktor Menge also. Andererseits scheint unsere Auffälligkeit alle aufs Äußerste zu verwirren und bevor uns jemand reinwinken kann, sind wir schon durch die Checkpoints durch. In dem Fall also der Überraschungsfaktor.

 

Cookie kam so übrigens in den Genuss den Konvoi an ca. 15 Rally-Fahrzeugen über turkmenische Hinterlandstraßen Richtung Ashgabat in den Sonnenaufgang hinein anzuführen. Als die Sonne dann die Umgebung um uns herum beleuchtete, haben wir auch gesehen wo wir uns denn eigentlich befinden: karge Landschaft links und rechts von uns. Sand, Dünen, Stein, hin und wieder kleine Sträucher. Im Süden von uns erstreckte sich bis nahezu entlang der gesamten Strecke das Kopet-Dag Gebirge, welches die Grenze zum Iran bildet, in den Norden breitete sich entlang der Straße die endlose turkmenische Ebene aus in der man ganz selten sogar ein paar grüne Tupfer an Vegetation erspähen kann.

Aus Europa kommend war es bei Tagesanbruch faszinierend zu sehen, wie unglaublich verändert die Landschaft nun ist. Selbst wenn Aserbaidschan gewissermaßen schon einen Bruch zum grünen und gebirgigen Georgien darstelle, war der Bruch in Turkmenistan nochmal gewaltiger. Hier ist größtenteils einfach wirklich nix zu sehen außer Steppe und Sand. Nach einiger Zeit ist uns auch aufgefallen, dass alle Städte und Ortschaften entlang der West-Ost Hauptverbindungslinie immer etwas abseits der Straße liegen und man nie durch einen Ort fährt. Wir können uns gut vorstellen, dass das intendiert ist, um die Ortschaften keinem Durchreiseverkehr auszusetzen, der im schlimmsten Fall die Abgeschottetheit des Landes herausfordern könnte.

Im Übrigen haben die Kühe, die das Bild auf und abseits der Straße im Kaukasus geprägt haben, nun mit Kamelen getauscht, die entweder alleine über die Straßen irren oder in ganzen Karawanen zu Dutzenden die gesamte Autobahn blockieren.

 

Der große Konvoi hat sich im Laufe des Tages aufgesplittert und dank den ganzen Navigations-Apps von Flo dürfte Cookie dann einen kleinen Rumpfkonvoi anführen. Flo hat also navigiert, Lukas ist gefahren, beide waren wir vollkommen k.o. nach dem Kaspischen Geduldsspiel. Dazu hatte es noch Temperaturen von über 40 Grad, die beim Fahren einen angenehmen Fönwind erzeugen, der alles und jeden grillt. Cookie weiß gar nicht so recht wo sie denn hier gelandet ist unter den Kamelen und in einer Hitze, die ihre vier Reifen zum Schmelzen bringt, hat sie doch ihr gesamtes Leben davor im Schiort Gröbming verbracht.

Höchste Konzentration ist mittlerweile auch bei den Straßenverhältnissen (weniger beim turkmenischen Verkehr oder dem Fahrverhalten, das ist in Europa weit schlimmer) gefragt, immer wieder ist die Fahrbahn voller Schlaglöcher oder Bodenwellen. Von Turkmenbashi über Ashgabat bis nach Tejen war die Hauptverkehrsroute M37 in einem guten Zustand. Fährt man von denen aber ab, wie wir es z.B. bei den Schwefelwasserquellen von Köw Ata getan haben, hüpft und springt man über eine Rumpelpiste. Das tut man übrigens auch auf der M37 ab Tejen über Mary bis nach Turkmenabat. Schlaglöcher, Spurrinnen und Fahrbahnrisse wie im Bilderbuch machen jeden Kilometer zur Herausforderung, die die volle Aufmerksamkeit von uns beiden erfordert.

In Ashgabat sind die Straßen dafür in einem Top Zustand - Cookie ist dort so lautlos dahingeeilt, dass man uns gar nicht bemerkt hat. Es muss ja schließlich hergezeigt werden, was man hat.

Mondlandung in Ashgabat

Es kommt einem überhaupt vor, als ob sehr viel mehr in die Hauptstadt investiert wird. Das Stadt-Land Gefälle ist in Turkmenistan einfach gewaltig, besonders weil das Land arm und Ashgabat eine vollkommen überzüchtete Repräsentationsstadt ist. Der Gasreichtum Turkmenistans wird in der Hauptstadt penibelst zur Schau gestellt.

 

Alle Gebäude sind weiß, wirklich richtig weiß. Also weiß-weiß. Ashgabat ist damit sogar im Guiness- Buch der Weltrekorde vertreten, es hält nämlich den Rekord für Stadt mit den meisten Quadratmetern an weißer Marmorverkleidung an Gebäuden. Mit Goldverzierungen und Arabesken wurde auch nicht gespart, zudem ist alles so unglaublich sauber und poliert, dass einem Wien wie ein Slum vorkommt - und das ist ohne Übertreibung unser vollkommener Ernst. Es gibt eine Vielzahl an Blumenbeeten, die permanent von Armeen von GärtnerInnen in Schuss gehalten werden. Überall gibt es aufwendige Springbrunnen und Parkanlagen. Obdachlose Menschen sieht man hier nicht, wie soll es auch anders sein, Armut hat in der Repräsentation nichts verloren. Was man sonst noch nicht sehr viel sieht sind Autos im Stadtkern, besonders um die Regierungsviertel gelegten breiten Ringstraßen sind meistens leer. Geparkt wird nur auf gut versteckten Parkplätzen. Die immer perfekt geputzten Autos am Straßenrand abzustellen ist hingegen nicht vorgesehen.

 

Quasi als Tüpfelchen auf dem i ist die ganze Stadt voller überdimensionierter goldener Statuen und Monumente, wobei Statuen von Ex-Präsident Niyazov sehr beliebt sind. Deshalb gibt es wahrscheinlich auch keine Werbung in der Stadt - sie würde sich wohl mit den Goldstatuen schlagen. Gerade diese Farblosigkeit lässt die Stadt zwar außerordentlich elegant erscheinen, irritiert am Ende ob ihrer Kontrastlosigkeit aber doch gehörig.

 

In Ashgabat wirkt alles künstlich. Es ist eine surreale Stadt in der nicht mal ein Baum schief wächst. Auf einem anderen Planeten zu landen kann nicht befremdlicher sein. Alle Menschen (übrigens sind echt unglaublich wenige Menschen auf der Straße unterwegs), die einem begegnen sind makellos angezogen und alle Frauen sind geschminkt, außerdem tragen alle traditionelle Kleidung im Alltag. Ganz besonders bei den Frauen ist das der Fall. In Ashgabat sieht man eigentlich keine Frau, die nicht ein Kleid mit traditionellem Muster anhat. Männerhemden sind dafür immer gebügelt. Da fährt offenbar die Eisenbahn drüber. Selbst alle VerkäuferInnen sind durchgestylt, z.B. ist Supermarktkleidung weiß-rosa, die Uniformen der MarktverkäuferInnen hingegen sind hell-/dunkelblau, andere Supermärkte haben wiederum traditionelle Uniformen. In den Regalen von Läden und Märkten ist alles so dermaßen eingeschlichtet, sortiert und ausgerichtet, dass Lukas vor Freude schon Tränen in den Auge hatte...!

Insgesamt wirkt alles inszeniert: Supermärkte, Märkte, das spärliche Leben auf der Straße, das Frühstück im Hotel, ... jeder Fremde fühlt sich in Ashgabat wie in der Truman-Show.

 

Leider war es uns nicht möglich das alles umfassend festzuhalten und zu fotografieren. An jeder - wirklich jeder - Ecke steht ein Militär oder Polizist, der einen sofort fuchtelig (dennoch immer höflich) verjagt, sollte er eine gezückte Kamera sehen. Insbesondere Regierungsgebäude dürfen nicht fotografiert werden. Wir haben uns trotzdem Mühe gegeben und viel aus der Hüfte fotografiert - immer im richtigen Augenblick und mit einem Auge auf dem nächsten Aufpasser. Außerdem haben wir einen unschlagbaren Vorteil: der Balkon unseres Hotels schaut direkt aufs Regierungsviertel mit dezentem Pferdedenkmal im Vordergrund. Natürlich haben wir noch bevor wir die Zimmertüre geschlossen haben, ein Foto geknipst... versteht sich von selbst.

 

Hotels bzw. Unkterkünfte sind hier generell sehr speziell. Offiziell gibt es in Ashgabat nur maßlos überteuerte Hotels. Inoffiziell auch. Da uns Erfahrungsberichte von anderen, die es in inoffiziellen Gästehäusern (wo man von der Polizei vertrieben wird) und billigeren Alternativhotels (unwesentlich billiger wie unser Hotel, kein Internet oder Frühstück, dreckige Zimmer) eher abgeschreckt haben, haben wir das billigste der teuren Hotels gewählt: das Grand Turkmen Hotel. Es ist übrigens das einzige Hotel der Stadt mit Internet. Aber wen wundert das in einem Land, dass Facebook, WhatsApp und Co. gesperrt hat. Richtig, eigentlich niemanden. Im Grunde läuft die Hotelszene darauf hinaus, dass die wenigen Besucher, die es sich antun sich hierher zu verirren (ganze 8.000 Besucher schaffen es pro Jahr hierher!! 8.000!!), in die staatlichen Hotels gepfercht werden.

Ein besonderes Highlight war für uns (ok, zugegeben mehr für Lukas als für Flo) der Besuch des Ruhnama-Denkmals im Unabhängigkeitspark. Was ist die Ruhnama werden sich jetzt alle fragen? Ganz schamlos sei die Ruhnama mit Copy und Paste mit Wikipedia erklärt, weil die dort so schön zusammengefasst ist:

 

Die Ruhnama (pers: „Buch der Seele“) ist ein Buch, welches angeblich der ehemalige turkmenische Staats- und Regierungschef Saparmyrat Nyýazow selbst geschrieben hatte. Es war offiziell Pflichtlektüre für das Volk. Es erschien im September 2001 und ist eine Vermengung von Geschichte, Verhaltensregeln und Lobpreisungen auf die „Heilige Schrift“. Die Inhalte werden in den Schulen Turkmenistans unterrichtet und dienen dem Personenkult um Nyýazow. Ein zweiter Band der Ruhnama erschien im Herbst 2004.

 

Die Ruhnama war bis Ende 2006 in allen Schulen Pflichtlektüre und die enthaltene Lehre musste ein Viertel des Unterrichts ausmachen. Staatsbedienstete mussten in diesem Buch an jedem Samstag lesen. Selbst für den Führerschein und für Prüfungen in den Schulen und Hochschulen ist Wissen über den Inhalt notwendig.

 

Als Teil seines Personenkultes ließ Nyýazow 2005 ein Exemplar des Ruhnama ins Weltall befördern. Dort sollte es, eingewickelt in die Staatsflagge, für immer um die Erde kreisen. Das an der Oberstufe einer Dnepr-Rakete montierte Paket mit der COSPAR-Bezeichnung 2005-031C wird voraussichtlich im Jahr 2132 in der Erdatmosphäre verglühen.

 

Die Ruhnama wurde in 40 Sprachen übersetzt – DaimlerChrysler hatte 2003 die deutsche Übersetzung des ersten Teils vorgelegt, der zweite Teil kam von Siemens. Die Baufirma Bouygues veranlasste die französische Übersetzung die Çalık Holding die Übersetzung ins Türkische und ins Englische. Die Übersetzungen verhalfen den Firmen zu Aufträgen in Turkmenistan.

Wenn auch nur ein kleines Detail zu dem Land, stellt die Ruhnama Beschreibung Turkmenistan eigentlich sehr umfassend dar. Wie jede abgeschottete Diktatur hat es seine Absurditäten und komplexen, fast undurchsichtigen Mechanismen. Es ist etwas sehr besonderes, dass zumindest oberflächlichst beobachtet haben zu können. Selbst wenn man nur ganz leicht an der turkmenischen Lebensrealität kratzt, bekommt man doch einen interessanten Eindruck. Zum Beispiel haben wir auch ein Ruhnama-Bürogebäude gesehen, dass die Form eines aufgeschlagenen Buches hat und sowas hat man nur, wenn man den Wahnsinn wirklich an die Spitze treiben will.

In Turkmenabats billigstem Hotel

Nach einer sehr beschwerlichen Tagesetappe von Ashgabat nach Turkmenabat am 9. August, deren größte Herausforderungen die Straßenverhältnisse über 400km ab Tejen und ein korrupter Polizist in einem silbernen BMW M3, der uns nach langer mühsamer Diskussion ohne Beleg 150 US$ wegen zu schell Fahrens abgenommen hat (unser Tacho war bei den vorgeschriebenen 90 km/h festgewachsen, er war aber der festen Überzeugung, dass wir mit 110 km/h unterwegs waren), haben wir die billigste bleibe von Turkmenabat ausfindig gemacht. "Billig" ist in Turkmenistan aber ein sehr relativer Begiff. In Turkmenistan ist grundsätzlich alles teuer. Und so haben wir für ein grausliches, altes Zimmer 20 US$ bezahlt. Kaum zu glauben, aber wahr: Waschbecken herausgerissen, Duschen mit Schlauch, Klo kaputt, kein Verputz, Möbel vollkommen desolat, Betten ohne Matratze, heiß und schwül, weil das Fenster rausgefallen wäre, hätte man es zu öffnen probiert...

Ihr dürft uns hier nicht falsch verstehen, die Unterkunft selbst macht uns ja nichts aus. Mein Gott, was soll schon sein, außerdem müssten wir nach dem Pomp Ashgabats sowieso geerdet werden. Das Preis-Leistungsverhältnis daran ist das Objekt unserer Kritik!

 

Nach Turkmenabat waren wir dann am 10. August an der usbekischen Grenze, wo wir wider mal kräftig bestechen mussten. Ein Żywiec-Dosenbier, dass uns Kingas Papa mitgegeben hat und Tabakwaren gehören nun Grenzpolizisten und Soldaten von den Checkpoints vor der Grenze.

Eigentlich hätten wir vorgehabt schon am Vortag bis nach Bukhara zu fahren, leider haben die Straßenverhältnisse aber unsren Fortschritt sehr gebremst. Wie schon ein paarmal zuvor müssen wir unsere Routenkalkulationen wieder dem tatsächlichen Fortkommen anpassen. Mit schnell, schnell geht hier wirklich gar nix mehr. Allerdings haben wir ja gelernt, dass das Ansichtssache ist: wir haben von dem korrupten turkmenischen Polizisten ja gelernt, dass wir immer 110 fahren, egal wie schnell wir sind :-)

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Kommentare: 4
  • #1

    Papa (Freitag, 11 August 2017 03:25)

    einfach beeindruckender bericht und Bilder

  • #2

    Sonja (Samstag, 12 August 2017 11:03)

    Danke für die wunderbare und bildhafte Sprache, man meint egal wie fern man wirklich ist, ganz nah dabei zu sein. Eure Reiseberichte sind meine erste Urlaubslektüre. "Gefühltes, wahres" Abenteuer nicht im Kopf! Unbedingt den video-link ansehen und dann bleibt man wirklich sorachlos zurück, ob dieses Größenwahnsinns 2017 und alles echt! Aber ehrlich eigentlich noch wirklich was von Turkmenistan gehört, gelesen. Danke euch dafür! Und wie immer weiterhin gutes Fortlommen!

  • #3

    Matthias (Mittwoch, 23 August 2017 08:44)

    Haha passend zu eurem Bericht war heute folgender Artikel im Standard

    http://derstandard.at/2000063005767/Turkmenistan-praesentiert-weltgroesste-Pferdekopfskulptur

  • #4

    Matthias (Sonntag, 23 September 2018 08:10)

    Ich hab übrigens länger mit locals geredet, die wussten nichts von einem Fotoverbot...